Stahl hat Zukunft
THYSSENKRUPP im FOKUS
Versagen an allen Fronten:
Ein immer wieder auftauchendes Thema ist die Problematik im Stahlkonzern Thyssenkrupp.
Allerdings spielen die Ursachen und das Grundübel bei allen Aussagen, Spekulationen und Berichten überhaupt keine Rolle.
Da ich selbst 35 Jahre in diesem Thyssen-Stahlbereich gearbeitet habe und als gewerkschaftlicher Interessensvertreter tätig war, kenne ich den ganzen Laden und deren Entwicklung in und auswendig.
Leider haben Betriebsrat, IGM und auch unsere Vertreter im Aufsichtsrat durch ihre falsche sozialpartnerschaftliche Politik den Niedergang mit zu verantworten.
Bereits als ich 1974 bei Thyssen Niederrhein Oberhausen in die Branche einstieg, war es an der Tagesordnung, dass wir um den Erhalt der Standorte kämpfen mussten und alle Jahre neue Rationalisierungsprogramme in zahlreichen Variationen auftauchten, die uns viele 10.000-de Arbeitsplätzen gekostet haben, um mit immer weniger Leuten noch höhere Gewinne zu erwirtschaften.
Die Folgen waren Standortschließungen von TNO, THH, Rheinhausen und zahlreiche andere Betriebsteile wurden stillgelegt, ausgegliedert oder verkauft.
Dieser ganze Kahlschlag der ja bis heute noch anhält, war nur durch die faule Kompromisspolitik möglich, wo die Interessen der Beschäftigten verkauft und verraten wurden. Hinzu kam das berühmte „Gift der Sozialpläne“, wo die direkt Betroffenen zwar einigermaßen sozial abgesichert wurden, aber die Werke, die Ausbildungsplätze, die Zulieferungsindustrie und ein Großteil der Infrastruktur für immer verloren waren.
Dabei hatte die IGM sogar eine Lösung erarbeitet, wo sie im „Stahlpolitischen Programm“ eine Holding forderte, wo alle Stahlkonzerne unter einem Dach vereint wären.
Somit hätte man nicht mehr im Wettbewerb gegeneinander gestanden, sondern sich miteinander gegenüber der internationalen Konkurrenz besser behaupten können.
In einer einheitlichen Planung und Organisation hätte man die Produktionspaletten sinnvoll untereinander aufteilen können und somit die Arbeitsplätze gesichert.
Das widersprach natürlich den egoistischen Profitinteressen der einzelnen Konzernvorständen und ihrer Geldgeber und somit ließ der unternehmerfreundliche Gewerkschaftsvorstand diese sinnvolle Sache leider im Sand versickern.
Außer der falsch verstandenen Sozialpartnerschaft und Kompromisspolitik gab es noch weitere unglaubliche Vorgänge die diese Entwicklung noch unterstützt, wo sich BR-Vorsitzende und hohe Gewerkschaftsfunktionäre als gewissen- und charakterlose Gesellen entpuppten, die skrupellos die Seiten wechselten.
Unser BR-Vorsitzender Dieter Kroll, der den Vorstand immer wortgewaltig anprangerte, übernahm urplötzlich den Posten des Arbeitsdirektors im Vorstand von Thyssenkrupp Steel.
Genauso unverständlich handelte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Thomas Schlenz, der sich ebenfalls zum Arbeitsdirektor küren ließ.
In die gleichen käuflichen Fußstapfen trat auch Oliver Burghard, der im Bundesvorstand der IGM als politischer Sekretär und als Funktionsbereichsleiter Tarifpolitik tätig war, dann zum IGM-Chef von NRW wurde und zuletzt zum Personalchef bei der Thyssenkrupp AG mutierte. Da bekommt der Spruch, wer solche Freunde hat, braucht eigentlich keine Feinde mehr, eine ganz neue Bedeutung.
Fehlinvestitionen und Gewinne
:
Thyssenkrupp hat in der Vergangenheit eigentlich immer gute Gewinne eingefahren, auch wenn diese nicht immer in den Bilanzen ausgewiesen wurden. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, dass in der Zeit von 2001 bis 2007 der jährliche Reingewinn jeweils um 500 Mio. anstieg und die Gewinnmargen von 1,5 Mrd. auf 4,5 Mrd. Euro gesteigert wurde.
Doch wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis und bricht ein.
Und genau das hat der gewinnverwöhnte Vorstand dann auch gemacht, indem er die größte Fehlinvestition der Konzerngeschichte in Brasilien und den USA in den Sand setzte.
Genauer gesagt, in den Sumpf gesetzt hat, denn in Brasilien sollte ein hochmodernes Stahlwerk direkt am Meer gebaut werden, für das insgesamt 1,8 Mrd. Euro veranschlagt wurden.
Nach zahlreichen Fehlschlägen, Komplikationen und Verzögerungen kostete der Spaß im Endeffekt fast 13 Mrd. Euro und wurde dann für 1,5 Mrd. wieder verkauft.
Jedenfalls hatten wir als Vertrauensleute und Betriebsräte im Vorfeld vor diesem Projekt gewarnt, denn langfristig hätte die Billigproduktion in Brasilien auch unsere Werke und Arbeitsplätze in Duisburg gefährdet.
Bilanzen und Besitzverhältnisse:
Doch auch ohne Brasilien hat man den Konzern nach allen Regeln der Kunst abgewirtschaftet und zerschlagen, sodass sogar die IGM den hilfreichen Einstieg des Staates fordert.
Dabei hat Thyssenkrupp bereits erhebliche finanzielle Subventionen und Hilfen erhalten und wird wahrscheinlich auch noch für die Umstellung auf die allerdings sinnvolle Wasserstofftechnik, weitere große Summen erhalten.
Doch wenn der Staat hier wirklich eingreifen sollte, dann aber richtig und der ganze Konzern sollte entschädigungslos vergesellschaftet und in Gemeineigentum überführt werden.
Das werden die Anteilseigner natürlich nicht zulassen, denn immerhin ist TK immer noch ein profitables Unternehmen, allerdings nicht für die Beschäftigten und den Steuerzahler.
Denn trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage bedient der Konzern stets großzügig als Kreditaufnehmer die Banken und Geldgeber mit Zinsen und die Aktionäre mit Dividenden. Auch Vorstand und Aufsichtsrat erhalten enorme Gehälter und werden mit einer lukrativen Altersabsicherung versorgt, die in den Bilanzen mit 9 Mrd. Euro an Pensionsverpflichtungen zu Buche schlägt, wobei sogar noch nebenbei zweistellige Millionenabfindungen für abgehalfterte Vorstände zur Verfügung stehen.
Im Übrigen sind Bilanzen genauso ein Lügengebilde wie die Arbeitslosenzahlen, denn sie zeigen im günstigsten Fall nur 20 % der wirklichen Gewinne aus.
Die anderen 80 % der wahren Gewinne werden erst gar nicht als solche ausgewiesen, denn sie verschwinden in den Bilanzen unter Zinsen, Rücklagen, Rückstellungen, Investitionen und Pensionen.
Wenn man dann noch bedenkt, dass dieser große Konzern nicht einmal 5 % als Eigenkapital besitzt und somit überhaupt nichts im eigenen Konzern zu sagen hat, erkennt man schon einen Großteil der finanziellen Misere.
Auch wenn die Krupp-Stiftung als größter Aktienbesitzer, die früher noch eine Sperrminorität von über 25 % hatte, jetzt nur noch rund 21 % des Aktienkapitals besitzt, wurden und werden nach wie vor die Interessen der Belegschaft immer mehr vernachlässigt.
Alleine die 5 größten Aktionäre besitzen also über 50 % des gesamten Aktienkapitals.
Somit bestimmen die Großinvestoren der Hedges-Fonds und Public-private-Partnership mit ihrer „Heuschreckenpolitik“ das Schicksal dieses Konzerns und handeln nach eiskalten und skrupellosen Profitinteressen.
Um hier wirklich etwas in positive Bahnen zu lenken, muss man schon schwere Geschütze auffahren, um diesen Burschen das schmutzige Handwerk zu legen.
Grundgesetz und Gemeineigentum
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Da könnte man sich sogar auf unser Grundgesetz berufen, wo Eigentum verpflichtet und dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen hat, oder zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum überführt werden kann, wobei die Entschädigung genau umgekehrt greifen müsste.
Auch die IGM hat ja in ihrem Grundsatzprogramm mal die Enteignung und Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien und Banken gefordert.
Das alles ist immer noch genauso aktuell und ungelöst wie es damals geschrieben wurde.
Jedenfalls hat das kapitalistische Ausbeutungssystem gezeigt, dass es die ganzen Probleme und Ungerechtigkeiten nur noch weiter verschärft und schnellstens abgelöst werden muss.
Das Zeitalter des privatwirtschaftlichen Unternehmertums ist längst vorbei und das unrechtmäßige Aneignen von gesellschaftlichen Werten und Eigentum und das Plündern unserer Staatskasse darf nicht weiter hingenommen werden.
Konzerne und Betriebe müssen durch die Belegschaften übernommen werden, die in kollektiver Eigenregie die Leitung führen, damit die erarbeiten Werte und Produkte auch denen gehören, die sie erwirtschaftet haben.
Was wir brauchen ist also eine wirkliche Demokratie, wo der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht, die unter gemeinnützigen Bedingungen erarbeitet werden.
Erst dann kann Gerechtigkeit einziehen und die Arbeits- und Lebensbedingungen so gestaltet werden, wie wir sie nach umwelt- und klimapolitischen Gesichtspunkten benötigen.
Denn wenn wir so weiter machen wie bisher, wird uns keine Zeit mehr bleiben, unsere Pläne umzusetzen, da der Klimawandel mit all seinen gravierenden Auswirkungen uns längst die eigenen Lebensgrundlagen entzogen hat.
Zum Gemeinwohl gehört dann natürlich auch, dass nicht mehr wirtschaftshörige Parteien und Regierungen das Sagen haben, sondern eine unabhängige „Staatsverwaltung“ mit den besten Fachleuten, Spezialisten, Experten, Wissenschaftler, Philosophen und Humanisten, die sich den einzelnen Fachbereichen widmen und notwendige Vorlagen erarbeiten, die dann von der Bevölkerung genehmigt werden müssen.
Wer sich noch näher mit diesem Thema befassen möchte, den kann ich das Buch von Christian Felber empfehlen, „Gemeinwohl-Ökonomie“.
Autor:Rolf Zydeck aus Bottrop |
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