100 Jahre Novemberrevolution und "100 Jahre Rathaussturm" , 1918/19 in Bottrop
Ein informativer Abend

Bettina Döblitz, Leiterin von Kunst- und Literaturstudio Galerie-7, Bottrop und Sahin Aydin, Stadthistoriker | Foto:  Diethelm E. Wunderlich aus Bottrop
  • Bettina Döblitz, Leiterin von Kunst- und Literaturstudio Galerie-7, Bottrop und Sahin Aydin, Stadthistoriker
  • Foto: Diethelm E. Wunderlich aus Bottrop
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Am 09. März gab der frühere Ratsherr von  DIE LINKE und Lokalhistoriker Sahin Aydin in Kunst- und Literaturstudio Galerie-7, Böckenhoffstraße 7 einen Rückblick auf die Bottroper Stadtgeschichte der Jahre 1918 – 1919 unter dem Motto: „100 Jahre Novemberrevolution / 100 Jahre Rathaussturm". Es folgte eine heiße Diskussion.

Nach Aydin wurde auch in Bottrop am 9. November ein Arbeiter- und Soldatenrat (ASR) gebildet. In ihm hatte die Mehrheits-SPD den stärksten Einfluss. Daneben waren christliche, freie und polnische Gewerkschaften und der Vertreter der USPD, August Banko, beteiligt. Aus Heimkehrende Soldaten wurde eine sozialdemokratische Volkswehr gebildet, um die Ordnung aufrecht zu halten.

Seit Dezember 1918 kam es auch auf Bottroper Zechen zu Streiks. Aydin vertrat die Ansicht, dass der sozialdemokratische Arbeiter- und Soldatenrat keine Interesse an der vom Reichsrätekongress beschlossenen Sozialisierung hatte. Durch die Streiks kam es zu einer Radikalisierung der Bergleute, die sich in einer stärkeren Beteiligung der USPD im ASR ausdrückte. Auch die Spartakusgruppe war dort erstmals mit zwei Sitze vertreten.

Nach Aydin griff am 17./18. Februar 1919 die gemäßigte, sozialdemokratische Volkswehrdie Streikposten der Bergarbeiter auf Prosper 1 und Prosper 2 an. Ein Arbeiter und ein Mitglied der Volkswehr kamen bei dem Gefecht ums Leben. Siebzehn Arbeiter wurden ins Gerichtsgefängnis und fünf ins Rathaus-Gefängnis gesteckt. Letztere gehörten zu USPD und Spartakusbund und waren z. Tl. selbst Mitglieder des Arbeiter- und Soldatenrats.

Am 19. Februar 1919 sammelten sich nach Aydin Angehörige der verhafteten Bergleute vor der Polizei-Hauptwache (in Rathaus) und forderten die Freilassung der Gefangenen und die Entwaffnung der Volkswehr. Es wurde auf die Demonstranten geschossen und es gab Tote. Am Spätnachmittag rücken revolutionäre Bergarbeiter und Sicherheitswehren aus Nachbarstädten in Bottrop ein. Selbst nachdem die Rathausverteidiger kapituliert hatten, schossen sie erneut auf die Belagerer. Nach der Eroberung des Rathauses wurden bedauerlicherweise dreizehn Rathausverteidiger erschlagen. Bei dem Gefecht um das Rathaus fanden insgesamt ca. 70 - 80 Menschen den Tod, seiten der revolutionären Arbeiter. 70 Personen der Volkswehr und Polizei wurden festgenommen und nach Mülheim gebracht. Sie kamen im Rahmen der Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Reichswehr und USPD am 22. Februar 1919 wieder frei.
Nach der Eroberung des Rathauses wurde am 20.02.1919 ein neuer Arbeiter- und Soldatenrat in Bottrop gegründet. Den Vorsitz hatte der USPD-Vertreter Banko. Es wurde eine neue Sicherheitswehr aufgebaut. Am 23. Februar vormittags kam es im Rathaus zu Verhandlungen, an denen Hauptmann Lichtschlag und ein Sprecher der polnischen Bergarbeiter in Bottrop, Alois Fulneczek, beteiligt waren - ohne Ergebnis. Nachmittags besetzte das Militär unter Führung seines Kommandanten Lichtschlag die Stadt. Alois Fulneczek wurde festgenommen und im Gerichtsgefängnis ermordet.
Das Referat von Sahin Aydin regte zu einer heftigen Diskussion an, da das Publikum sich überwiegend mit der Stadtgeschichte tiefgründig beschäftigt hat. Mit der Sicht des Vortragenden waren nicht alle anwesenden (Männer) einverstanden. Einzelne Zeitangaben, Zahlen zu den damaligen Verlusten und Wertungen waren strittig und wurden hitzig diskutiert. Weitgehende Einigkeit herrschte jedoch über die Artikelserie in der WAZ, wo allein die Sicht der rechtsradikalen-monarchistischen Freikorps auf die Ereignisse ausgebreitet worden war. Dort war nicht einmal ein positiver Bezug zur Novemberrevolution vorhanden. Doch trotz oder wegen der Kontroversen war es ein informativer und sehr interessanter Abend.

Kunst- und Literaturstudio Galerie-7
Böckenhoffstraße 7, 46236 Bottrop

Autor:

Aydin Sahin aus Bottrop

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