Wolf und Kulturlandschaft
Was Wolfintegration kostet

Ich finde es schlimm, dass nach den letzten Pferderissen hier in Hünxe und Raum Kirchhellen, nun noch höhere Summen zur Föderung von Zaunbauten ausgegeben werden sollen, damit einigen (bis dato noch wenigen) Wölfen das Leben in einer dicht be- und zersiedelten Kulturlandschaft ermöglicht wird. Etliche km Wald- und Wiesenweiden überall und weitläufig mit entsprechenden (wildundurchlässigen) Zaunanlagen zu versehen und/oder alle Weidetiere wegzusperren, Offenställe aufzurüsten oder gar bei allen Pferden, Kühen oder Schafen HSH beizustellen, ist jedenfalls in meinen Augen realitätsfremd, unverhältnismäßig arbeits- und kostenintensiv sowie letztendlich naiv. Nur ca. 0,6 Prozent der Landfläche in der BRD sind aktuell geschützte Wildnisgebiete. Es hätten bis Ende 2020 eigentlich 2 Prozent sein sollen, (s. auch Beschluss zur "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" von 2007). Und das ist leider eine Tatsache, dass selbst dieses minimale Ziel nicht erreicht wird in Deutschland. Es ist daher leider hier nicht mehr genug Platz für alle da - zumindest nicht, ohne dass der Mensch erneut eingreift. Und zumindest nicht in einem durch Kulturlandschaft geprägten Ballungsraum wie hier in NRW - mit der höchsten Bevölkerungsdichte der BRD!

Wölfe können uns Menschen und unsere Weide- und Haustiere hier gar nicht meiden. Auch haben die Wölfe hier die Nähe zum Menschen nicht als "Gefahr" erfahren müssen. Die meisten von uns wollen bei aller Sehnsucht nach intakter Natur und bei gleichzeitiger Kritik an konventioneller Tierhaltung, ihren eigenen Lebensstil aber auch nicht aufgeben oder zurücknehmen. "Natur pur" kennt doch kaum noch einer von uns ... weil wir uns eben auf der anderen Seite doch auch vor unerwünschten Effekten von "Natur pur" sehr effektiv schützen.

Zur Realität in der öffentlichen Diskussion sollte daher auch gehören, dass dort, wo Präventivmaßnahmen nicht greifen oder unverhältnismäßig sind, die Zahl der Wölfe in bestimmten Gebieten begrenzt werden sollte – sei es etwa auf Grund einer hohen Zahl von Weidetierrissen, mehrfachen Annäherungen zu Wohngebäuden oder nachweislichem Verlust der natürlichen Scheu vor Menschen. Risse, abgebrochene Jagdversuche mitunter einige Meter neben einer Schulbushaltestelle und/oder dem Kinderzimmer oder Sichtungen auf der Gassirunde, sind (auch aus eigener Erfahrung) mittlerweile hier bei uns in Kirchhellen nunmal nicht mehr so selten wie man noch vor einigen Jahren vorausgesagt hatte. Auch wünsche ich keinem naturverbundenen Hundehalter beim Spaziergang eine zufällige Nahbegegnung mit gut ausgebildeten, arbeitenden HSH.

Hysterisch zu werden ist genauso falsch wie diese Entwicklungen einfach zu ignorieren. Ich stelle allerdings die Interessen der betroffenen Weidetierhalter, Anwohner und Bauern (also die, die tatsächlich die Tiere vor der Haustür haben), definitiv vor die Interessen von naturverbundenen Haustierhaltern und selbsternannten Experten. Sehnsucht nach intakter Natur oder private Tierschutzambitionen schützen die Wölfe eher nicht.

Der Öffentlichkeit müssen auch die immensen Gesamtkosten mehr zur Kenntnis gebracht werden. Gelder, die zudem meiner Meinung nach deutlich effektiver für Natur- und Tierschutz eingesetzt werden könnten. Menschengemachte Probleme im Umgang mit der Natur löst man doch nicht einfach durch Förderung von sachgerecht aufgebauten Zäunen oder Herdenschutz um jeden Preis. Die Frage nach einer Bestandsregulierung oder wolfsfreien Zone muss mit einbezogen werden. Die Beurteilung ob Herdenschutz überhaupt zumutbar möglich ist, darf sich nicht nur an technischer Machbarkeit oder individuellem Ehrgeiz orientieren: die Anforderungen müssen praktikabel und verhältnismäßig bleiben.

Vielleicht findet dann eben dieser Punkt der Verhältnismäßigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung einen anderen Stellenwert. Auch ist zu erwähnen, dass bis dato präventive Herdenschutzmaßnahmen im Sinne des empfohlenen Herdenschutzes eben nicht auf der gesamten Fläche des Wolfsgebietes oder der Pufferzonen für alle Weidetierhalter möglich gemacht wurden. Föderungen beziehen sich auf die reinen Materialkosten, ignorieren laufende Unterhaltungs- oder Instandhaltungskosten oder setzen z.B. erstmal eine bestimmte Anzahl von Rissen voraus. Ganz zu schweigen von konkreten baurechtlichen Vorgaben und Genehmigungen. Ich persönlich halte weder Pferde noch Schafe, wohne aber im Außenbezirk und brauche Wölfe ganz bestimmt nicht so nah bei meinen Kindern, meinem Garten und Haustieren. Gleichzeitig wünsche ich mir aber, dass diese faszinierenden Tieren in !geeigneten! Lebensräumen wieder ein Teil des Ökosystems sein dürfen.

Autor:

Nic Busch aus Bottrop

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