"Wenn wir hassen, verlieren wir, lieben wir, werden wir reich" - Auschwitz-Überlebende Philomena Franz zieht Schüler in ihren Bann

Die Auschwitz-Überlebende Philomena Franz hatte bei ihrem Besuch an der Janusz-Korczak-Gesamtschule auch Enkelin Ophelia mitgebracht. Foto: Kappi | Foto: Kappi
  • Die Auschwitz-Überlebende Philomena Franz hatte bei ihrem Besuch an der Janusz-Korczak-Gesamtschule auch Enkelin Ophelia mitgebracht. Foto: Kappi
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Wir hatten keinen Namen mehr, wir waren nur noch Nummern“, erzählt Philomena Franz. Dann hebt sie ihren Arm und dreht ihn so, dass jeder im Saal die eintätowierten Ziffern 10550 sehen kann.

Es sind die Zahlen, die Philomena Franz vor fast 70 Jahren im Konzentrationslager von Auschwitz in den Unterarm tätowiert wurden. „Da wusste ich manchmal nicht mehr, wie ich heiße“, erinnert sich die 89-Jährige, eine der wenigen Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz.
Philomena Franz folgte einer Einladung der Janusz-Korczak-Schule, um vor den Schülern im Pädagogischen Zentrum der Lehranstalt über ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus der Zeit des Dritten Reichs zu berichten. Initiiert hatten diese Veranstaltung die Achtklässer des Kurses „Darstellen und Gestalten“ gemeinsam mit ihrem Lehrer Sinan Lafci.
Nachdem im Unterricht das Buch „Zwischen Liebe und Hass“ von Philomena Franz gelesen wurde, bemühten sich die Schüler um Spenden und ermöglichten den Gastvortrag - oder vielmehr eine außergewöhnliche Begegnung von emotionaler Natur. Denn der Fall einer Stecknadel wäre sicherlich zu hören gewesen, so leise war es unter den 250 Schülern. Gebannt, mit großen Augen und gefesselten Blicken, lauschten sie den Worten.
Philomena Franz wurde 1922 als Kind eines Sinti und einer Jüdin in Biberach geboren. Stimmlich und tänzerisch begabt, tourte sie mit ihrer Familie bereits als junge Frau durch die Welt, ehe ihnen im Jahr 1939, als sie von einem Auftritt in Paris nach Deutschland zurückkehren wollen, am Grenzübergang sämtliches Hab und Gut abgenommen wird. Ein Teil der Familie wurde da bereits nach Auschwitz deportiert. Dorthin, wo auch Philomena Franz im Frühjahr 1943 als 21-Jährige deportiert wird. Ein Gefängnisaufenthalt, das Überleben eines Bombenangriffs, die Ankunft in Auschwitz. „Der Anfang war ein riesengroßer Schreck“, erinnert sie sich: „Ich war ganz allein, konnte nicht mehr denken und habe mir die Augen ausgeweint.“
Von Auschwitz aus kam sie ins Lager nach Ravensbrück, wo sie ihre älteste Schwester wiedertraf, weiter ging es in das Außenlager nach Schlieben in Thüringen. Ein Fluchtversuch von dort gelingt, nach acht Tagen wird Philomena Franz jedoch gefasst, an ihrer Nummer auf dem Arm erkannt, zurück nach Auschwitz gebracht und weiter ins brandenburgische Oranienburg deportiert. Ohne Essen in eine Dunkelzelle gesperrt, wird sie geschlagen und getreten - die Narben kennzeichnen noch heute ihre Stirn.
„Ich habe es satt gehabt, ich wollte sterben“, blickt Philomena Franz zurück, die jedoch überlebte, da ihr ein jüdischer Lagerarzt heimlich Päckchen mit Essen zusteckte. Wieder im Transport nach Auschwitz trifft sie ihre im Sterben liegende Patin wieder. „Eine Bestimmung“, wie Philomena Franz auch noch Jahrzehnte nach ihrer Befreiung im Jahre 1945 durch die Rote Armee weiß.
Über eine Stunde erzählt die heutige fünffache Mutter den Gesamtschülern ihren Leidensweg, beantwortet Fragen nach ihrem heutigen Empfinden und wie sie wieder Freude am Leben bekommen hat, jedoch nicht ohne dabei einen Appell an die jungen Zuhörer zu richten: „Das was passiert ist, war menschenunwürdig und darf nicht wieder passieren. Ihr gestaltet das Land und dürft nicht zulassen, dass Menschen aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit vergast werden.“
Für die Schüler war die Begegnung der Beginn ihres Projektes „Von der Vernichtung zur Befreiung“. Im nächsten Jahr soll es eine Fahrt in die Normandie geben, um weitere Zeitzeugen zu treffen.

Autor:

Nina Heithausen aus Bottrop

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