WECKDIENST FÜR GUTE GEISTER. Reise zu den Schamanen führt nach Kevelaer
Prähistorisch und aktuell zugleich: jenseits des Wallfahrtstourismus beleuchtet das Regionalmuseum in Kevelaer religiöse Praktiken des Schamanismus.
Der Glaube an diese Geistheiler prägte die traditionellen Stammesgesellschaften in Sibirien, die im 19. Jahrhundert noch präsent waren. Lange vor Globalisierung und modernem Fortschrittsglauben boten sie Menschen in extremen Naturräumen die Chance, ein Leben in Balance zu führen. Schamanen vermittelten zwischen der Welt der Menschen und einer erdachten Welt der Geister, die hilfreich oder störend sein konnte. Das Denken der sibirischen Völker Korjaken, Nanai und Kukcen ging davon aus, dass alles beseelt war. So war es exklusive Aufgabe des Schamanen, mit den Geistern zu kommunizieren, um Erfolge bei der Jagd, Heilen von Krankheiten, Bewältigung von Trauer oder positive Lebensperspektiven für Menschen zu erwirken.
Als "Therapeuten von gestern" waren Schamenen möglicherweise schon in der Steinzeit bekannt, wie Tierfiguren und Höhlensymbole vermuten lassen.
Das Museum erzählt an Hand von Exponaten und Tondokumenten, wie Schamenen ausgewählt, angeleitet und rituell wirksam wurden. Mittels Trance und tiergestaltiger Symbole war ihnen eine Reise in eine andere Welt möglich. Ähnlich den heutigen Therapeuten weckten sie gute Geister in den Menschen und vermittelten das Gefühl der Selbstwirksamkeit in einer rauhen Lebenswirklichkeit. So konnten Schamanen durch das Auffinden des Geistes, der die Seele eines kranken Menschen entführt hatte, heilen. Ein Rücktausch war möglich. Wie heutige Therapeuten arbeiteten sie mit Suggestivstrategien.
Schamanen konnten Männer wie Frauen sein, welche sich in einen Geist verwandeln konnten, der das Geschlecht wechselte.
Ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in Westeuropa und im Osten nach der politischen Wende in den 90er Jahren entwickelte sich ein Neoschamanismus, der auch traditionelle indianische Religion einband. Schamanen repräsenierten jetzt eine Alternativrolle zur wissenschaftlich fundierten Medizin der Neuzeit.
Indianische Traumfänger aus Vogelfedern wurden zum Symbol für archaische Heilmethoden, die den modernen überlegen sein sollten.
Spirituell gesehen sind die auserwählten Schamanen auch "Geistliche der Vorzeit", da sie mit "guten Geistern" aus dem Jenseits kooperieren und Schädliches abwenden. So ist die Sonderausstellung im christlichen Wallfahrtsort Kevelaer passend plaziert!
Die Ausstellung des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte e. V. in Zusammenarbeit mit dem Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim und der Stiftung Neanderthal Museum eröffnet eine Reise in die Geisterwelt für Jung und Alt bis 28.08.2016. Eintritt für Kinder € 2,00, Erwachsene € 3,00 und Familienkarte € 7,00.
Weitere Infos unter www.niederrheinisches-museum-kevelaer.de
Autor:Dr. Michaela de Groot aus Bottrop |
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