Warum heißt die Von Galen-Straße eigentlich Von Galen-Straße? Feldhausener Straßenname erinnert an Krankenmorde
Schmucke Wohnhäuser umsäumen die Straße, Vorgärten lassen Blumen blühen, auf dem Gehsteig gähnende Leere: die Von Galen-Straße liegt mitten im Feldhausener Wohngebiet. Gerade quert eine junge Mutti mit Sprössling im Kinderwagen die Straße. "Warum heißt die Von Galen-Straße so?" frage ich die überraschte Frau. "Keine Ahnung, ich wohne erst seit zwei Jahren hier in dieser Gegend." Dabei erinnert der Straßenname an einen Löwen der besonderen Art.
Die unscheinbare Straße trägt den Namen eines berühmten Kirchenmannes. Clemens August Kardinal Graf von Galen lebte 1878 bis 1946 und war ab 1933 Bischof von Münster. Zeitgenossen beschreiben ihn als selbstbewußt, fast schon arrogant. In seiner Abiturzeitung aus dem Jahr 1896 vermerken seine Mitschüler über ihn "ein Mann ohn Suff und Liebe, liebt nicht der Welt Getriebe". Von Galen entschied sich für die Kirche und eine konservative politische Haltung.
Berühmt wurde der Bischof durch öffentliche Predigten gegen Nazimachenschaften dem "unwerten" Leben gegenüber. Geistig Behinderte, psychisch Kranke, neurologisch Auffällige wie Epileptiker oder altersverwirrte Menschen, die nicht mehr arbeiten und für sich sorgen konnten, wurden in der Nazizeit als "unwertes" Leben bezeichnet.
Zwischen Januar 1940 und August 1941 ermordete man so 70.000 Erwachsene, nachdem man sie zuvor etliche Male aus ihren Heimen in neue Unterkünfte verlegt hat, um die Taten vor den Angehörigen zu vertuschen. Aktion T4 nannten die Nazis dies im Amtsdeutsch. Sie richtete sich auch gegen Deutsche, gerüchteweise waren auch Kriegsinvalide betroffen. Tatsächlich ließ Hitler Ende August 1941 nach der Predikt des Bischofs Von Galen die Aktion abbrechen. Er konnte es sich nicht leisten, auf die Gunst der zahlreichen Gegner der Krankenmorde zu verzichten. Trotz Geheimhaltung war die Aktion in breiten Bevökerungsschichten bekannt. Manche Opfer ahnten schon beim Transport, welches Schicksal ihnen droht.
1946 wurde von Galen Kardinal, kurz darauf verstarb er. Manche Historiker kritisieren, dass er den Angriff auf die kommunistische Sowjetunion befürwortet hat. Auch habe er sich nicht für die Rechte der Juden oder anderer Opfer eingesetzt. Nach langem Hin und Her entschied sich die katholische Kirche 2005, den Bischof selig zu sprechen. Wegen seines Mutes vor 70 Jahren den Nazis öffentlich zu widersprechen, nannte ihn der Volksmund "Löwe von Münster".
So trägt ein Feldhausener Straßenschild den Namen eines Löwen der besonderen Art. Und erinnert an Krankenmorde zur Nazizeit.
Autor:Dr. Michaela de Groot aus Bottrop |
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