Eine vielschichtige Persönlichkeit
In der Reihe der Portraits der Oberbürgermeister im Rathaus wird man sein Bild nicht finden: Günther Graf von Stosch. Er lenkte von 1935 bis 1941 die Geschicke der Stadt.
Mehr aus Zufall stieß Josef Bucksteeg auf den Namen Günther Graf von Stosch. „Auf dem Parkfriedhof gibt es einen Grabstein, halb verdeckt von Büschen“, erzählt der Hobby-Historiker. Wirklich neugierig auf die Geschichte dieses nationalsozialistischen Oberbürgermeister machte ihn aber die Tatsache, dass Stosch, obwohl gebürtiger Schlesier, darum gebeten hatte, nach seinem Tod in Bottrop begraben zu werden. „Er muss eine große Liebe zu dieser Stadt entwickelt haben“, vermutet Bucksteeg. Als Stosch 1955 in Essen starb, wurde er in aller Stille auf dem Parkfriedhof beigesetzt.
Doch auch die Frage, was Menschen aus dem Bildungsbürgertum dazu brachte, sich auf den Nationalsozialismus einzulassen, beschäftigte Josef Bucksteeg in den rund eineinhalb Jahren, in denen er recherchierte und das Buch „Als Günther Graf von Stosch im Rathaus regierte“ schrieb. Was er herausfand, ergibt ein durchaus komplexes Persönlichkeitsbild. Obwohl Stosch während der Nazizeit eine ansehnliche Karriere machte - nach seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister in Bottrop war er Regierungspräsident in Münster und Minden - beschreibt Josef Bucksteeg ihn als „außerordentlich populär und volkstümlich“. Stosch habe sich nicht davor gescheut, sich mit seinen Vorgesetzen anzulegen. „Er hat auch Regimekritiker aus der Schusslinie genommen“, hat Josef Bucksteeg erfahren. Aber, so betont er gleichzeitig, sei das Buch keine Schrift, die Stosch freisprechen soll. „Es ist kein Versuch ihn reinzuwaschen, aber vielleicht ihm etwas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“
Bei seinen Recherchen stützte sich Josef Bucksteeg vor allem auf Prozessakten, Unterlagen aus dem Entnazifizierungsverfahren und auf Zeitungsberichte. Graf von Stosch war vor seiner Zeit als Oberbürgermeister Leiter der Gestapo in Recklinghausen. Wegen der dortigen Folter und Misshandlungen wurde er 1949 vor Gericht gestellt und frei gesprochen. Während des Entnazifzierungsverfahrens wurde er als Mitläufer eingestuft.
Der Absturz nach Kriegsende war für Günther Graf von Stosch hart: Nach Verhaftung und Prozess war er arbeitslos, schlug sich mit Jobs als Lagerarbeiter und Vertreter durch. „Im Grunde war er ein armes Schwein“, sagt Josef Bucksteeg.
Das Buch „Als Günther Graf von Stosch im Rathaus regierte“ ist als zwölfte Ausgabe in der Reihe „Geschichtsstunde“ des Stadtarchivs erschienen.
Das Buch von Josef Bucksteeg ist in einer Auflage von 200 Stück gedruckt worden und ist zum Preis von 8 Euro im Stadtarchiv im Kulturzentrum an der Blumenstraße erhältlich.
Autor:Judith Schmitz aus Bottrop |
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