Das Stadtteilbüro Batenbrock will die Chancen Ausgegrenzter erhöhen
Eine Tankstelle für die Seele
"Das Fremde soll nicht befremden, sondern neugierig machen, die Kultur kennenzulernen - das ist eines unserer Ziele im Stadtteilbüro Batenbrock", sagt Barbara Josfeld. Denn Batenbrock ist bunt, schmucke Wohnviertel wechseln sich mit weniger vorzeigbaren Straßenzügen ab. Ein Stadtteil mit vielen Unterschieden.
Wer an der Horster Straße 228 vorbeikommt, fühlt sich willkommen. Im Schaufenster grinst einen eine Giraffe an - in Corona-Zeiten natürlich mit Mundschutz. "!gemeinsam in Batenbrock" – steht mit Straßenmalkreide auf dem Bürgersteig. Wer an dem Stadtteilbüro vorbeikommt ist aufgerufen, seine Wünsche zu äußern. Was tut gut? Was stärkt? Was macht Batenbrock zu einem Stadtteil in dem es sich gut leben lässt? Gemeinsam mit den Mitarbeitern im Stadtteilbüro und vielen Akteuren ist schon so mancher Wunsch zu einer konkreten Aktion geworden. Zum Beispiel beim Näh-Café für alleinerziehende Mütter. Davon gibt es in Batenbrock über 400. Hier können die Frauen miteinander ins Gespräch kommen und/oder mit der Nähmaschine etwas Schönes kreieren. Nähmaschinen und Material werden kostenlos zur Verfügung gestellt, das Wissen, wie es geht, ebenfalls. Schneiderin Karolina hilft gerne weiter: "Ich bin seit 2018 hier. Vor Corona waren es manchmal bis zu zwölf Frauen, teilweise mit Kindern, die hier aktiv wurden." Kein leichter Job für die Schneiderin, so viele Fragen - teilweise von blutigen Anfängerinnen - zu beantworten. Sachen reparieren, enger machen, kürzen, oder eine Hose für die Kinder nähen - hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten.
Gülcan näht sich gerade ein schickes rotes Kleid: "Ich habe die Ideen, was ich machen will, vorher in meinem Kopf. Jetzt hatte ich Glück, dass ein Stoffballen in meinem Lieblingsrot gespendet wurde. So musste ich nur noch Garn, Futter und Reißverschluss dazu kaufen."
Die patente Gülcan näht hier nicht nur, sie hat noch eine andere Aufgabe übernommen: Sie lädt jeden Dienstag zum Sprachcafé ein. Zu Gast sind hier keine Leute aus der Türkei, sondern aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. "Das sind Menschen, die sich nicht untereinander verständigen können", weiß Barbara Josfeld. Gülcan schafft es aber in dem zweistündigen Sprachcafé, einiges zu vermitteln. Und beim nächsten Treffen haben sie - die meisten Teilnehmer sind Analphabeten - das behalten, was sie vor einer Woche gelernt haben. "Gülcan vermittelt das ganze mit viel Freude, und ihre Zuhörer haben Spaß, mit ihr zu lernen. Und wer mit Vergnügen lernt, lernt leichter und besser", weiß Barbara Josfeld noch aus ihrer Demenzberatung.
Beiträge gegen Langeweile
Nur nicht unterkriegen lassen - das versuchte das Stadtteilbüro während des Corona-Lockdowns auf seinen Facebook-Seiten zu vermitteln. Hier wurden nicht nur verschiedene Beiträge gegen Langeweile gepostet. "Fast 10.000 Interaktionen gab es auf unsere Beiträge", freut sich Barbara Josfeld. Wenn die Yoga-Lehrerin coronabedingt keine Kurse an der Horster Straße 228 geben kann, kann man mit ihr zusammen über Facebook trotzdem Asanas machen. Zuhause, zwischen Bett und Heizung, präsentierte sie ihre Übungen. Lebensecht und zum nachmachen. "Diese Seite hat weit über Bottrop hinaus Leute erreicht, auch wer wenig deutsch kann, wird hier angesprochen und kann mitmachen."
Kraft für den Tag zu tanken war nicht nur ein Ziel der Facebook-Seite während des Lockdowns, sondern ist das Ziel des Stadteilbüros: "Wir sind eine Tankstelle für die Seele, wir gucken täglich, was die Menschen brauchen, und natürlich auch, was ihre eigenen Ressourcen sind." Obdachlose vom Borsigweg haben im Stadtteilbüro beim Teppich legen geholfen oder Wände für den Graffiti-Workshop aufgebaut. "Viele Fertigkeiten liegen brach. Drei der Obdachlosen haben inzwischen eine 1,50 Euro-Stelle. Ich hoffe, dass sie da rauskommen werden. Im Obdachlosenwohnheim haben sie keine Privatsphäre."
Helfen konnte das Stadtteilbüro auch Schülern: Während des Lockdowns mussten die Schüler von zuhause aus ihre Aufgaben machen. Vor dem Büro - hier kann man entspannt das Wlan nutzen - hat Barbara Josfeld ein junges Mädchen entdeckt, die 100 Seiten vom Display ihres Handys abgeschrieben hat, um die ganzen Schulaufgaben lösen zu können. "Ihr und anderen Schülern, die keinen Computer und keinen Drucker zuhause haben, habe ich angeboten, das auszudrucken. Wer durch die Maschen fallen kann, ist durch Corona erst recht bedroht."
Keine Endzeitstimmung
Aber nicht jeder, der Hilfe braucht, kommt vorbei. "Ab Mitte September haben wir ein Lastenfahrrad. Dann geht es mit Kaffee, Saft und Obst zu den Spielplätzen zu den Leuten, die nicht vorbei kommen möchten", sagt Magdalena Schültingkemper, die zusammen mit Barbara Josfeld das Stadtteilbüro führt. Sie ist junge Mutter und weiß, was Familien gut tut.
Die Hilfe kommt an und wird auch von den Familien gerne gesehen, die keine Unterstützung benötigen. Doch ob es diese im nächsten Jahr noch geben wird, ist ungewiss. "Ende Dezember läuft die Finanzierung aus. Wie es dann weiter geht, ist noch unklar. Dass es aber weitergehen muss, ist wichtig. Denn viele, die ins Stadtteilbüro kommen, hatten vorher das Gefühl, dass sich für sie sowieso keiner interessiert. Sie würden in ein großes Loch fallen.„Und das darf nicht passieren!“ sind sich Magdalena Schültingkemper und Barbara Josfeld einig. Diese Kunstwerke mit Aussagekraft haben Janusz-Korczak-Gesamtschüler im Volkspark Batenbrock im letzten Jahr gesprayt. Normalerweise werden solche Tafeln nach einer bestimmten Zeit übermalt. Aber nicht diese: Der Schulleiter hat sie eingekauft und jetzt zieren sie die Schule an der Horster Straße.
INFO
- Das Projekt wird bis Ende des Jahres über Landes- und ESF-Mittel gefördert.
- Das Programm „Zusammen im Quartier – Kinder stärken – Zukunft sichern“ will Kinder und Jugendliche stärken und vor Armut schützen.
Autor:Bettina Meirose aus Bottrop |
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