Ausstellung "1914-1918": Bottroper im Weltenbrand

Die Organisatoren und Autoren der Ausstellung "1914 - 1918: Kriegsalltag in Bottrop und Tourcoing" freuen sich über die rege Hilfe aus der Bevölkerung, die mit zahlreichen Exponaten ihren Beitrag leisten konnten. Foto: Tomczek
  • Die Organisatoren und Autoren der Ausstellung "1914 - 1918: Kriegsalltag in Bottrop und Tourcoing" freuen sich über die rege Hilfe aus der Bevölkerung, die mit zahlreichen Exponaten ihren Beitrag leisten konnten. Foto: Tomczek
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Medienberichte, Ausstellungen, Literatur: Der Erste Weltkrieg ist 100 Jahre nach seinem Ausbruch allgegenwärtig. Auch das Stadtarchiv Bottrop verschließt sich dem Thema nicht. Anstelle den Fokus aber auf Weltpolitik und Schlachtenanalysen zu setzen, setzt die nun beginnende Ausstellung "1914 - 1918: Kriegsalltag in Bottrop und in Tourcoing" einen viel persönlicheren Schwerpunkt.

"Ich habe den Krieg nicht gewollt", schrieb der Bottroper Karl Ragert auf eine Postkarte nach Hause. Die Fotoseite zeigt keine friedliche Landschaft, sondern eine Gruppe junger Soldaten, die hoffnungsvoll in die Kamera blicken. In einem der Uniformierten sollten die Empfänger der Karte ihren Karl erkennen, aber so würde er nie wieder sein. Mit 20 Jahren zum Krüppel geschossen, einbeinig, versehrt an Leib und Seele, wurde der Kämpfer zum erbitterten Kriegsgegner. Doch was ist das Schicksal eines Einzelnen im Getöse des Weltenbrandes?

Entscheidend, findet Stadtarchivarin Heike Biskup. "Wir erzählen in unserer Ausstellung nicht die große Geschichte des Krieges. Statt dessen erzählen wir viele kleine Geschichten." Persönliche Schicksale stehen im Mittelpunkt der neuen Exposition, die am 29. August im Kulturzentrum August Everding an der Blumenstraße eröffnet wird. Bereits bei der Konzeption hatte Biskup auf die Mithilfe der Bottroper gehofft und nach persönlichen Erinnerungsstücken aus Familienbesitz gefragt.

Persönliche Schicksale im Mittelpunkt

Die Resonanz war überwältigend. Viele Bottroper bliesen den Staub von alten Kartons, kramten in Kellern oder auf Dachböden, und förderten Fotos, Briefe, Postkarten, Orden, Ausrüstungsgegenstände, Zeitungen und vieles mehr zu Tage, was für ihre Vorfahren in der Kriegszeit zum Alltag gehört hatte. "Es ist erstaunlich, was noch alles da ist", freute sich Heike Biskup. Auch die Leihgeber profitierten oft von der Suche. So hätten Menschen, die oft nur noch den Vornamen ihres gefallenen Großvaters oder Urgroßvaters gekannt hatten, etwa durch die gefundenen Briefe einen ganz neuen Blick auf ihre eigene Familiengeschichte erlangt.

Aus dem riesigen Fundus der so zusammengeführten Exponate hat das Stadtarchiv mit finanzieller Unterstützung der Ernst-Brehmer-Stiftung eine feine Ausstellung konzipiert, die viel verrät über die Gedankenwelt der Soldaten aus Bottrop und Kirchhellen, und auch das Schicksal ihrer daheim gebliebenen Angehörigen beleuchtet. Die Fülle der gezeigten Stücke und vorgestellten Feldpost ist dabei so umfangreich, dass Heike Biskup gleich zum mehrfachen Besuch rät.

Die französische Perspektive

Schon durch die Auslegung, dem Massensterben auch in Bottrop wieder ein persönliches Gesicht zu verleihen, hebt sich die Ausstellung von vielen anderen Weltkriegsexhibitionen ab. Darüber hinaus kann sich "Kriegsalltag in Bottrop und in Tourcoing" aber auch einer Entstehung mit internationaler Zusammenarbeit rühmen: Wie schon 2010 kooperierten die Historiker von der Emscher eng mit dem Stadtarchiv in der französischen Partnerstadt, welches mit Material, Wissen und Rat aushalf.

Tourcoing spielt in der großen Geschichte des Krieges zwar bei weitem keine so große Rolle wie Verdun oder Ypern, musste aber eine vierjährige deutsche Besatzung erleiden. Um so präsenter ist die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" noch in der nordfranzösischen Gemeinde, die seit 1967 mit Bottrop in enger Freundschaft verbunden ist. Flugblätter und Plakate, die sich an die Zivilbevölkerung während der Besatzung richtete, sind während der bis Ende Oktober laufenden Ausstellung auch in Bottrop zu sehen. Besonders stolz sind die Organisatoren darauf, dass die Exhibition gegen Ende des Jahres auch in Tourcoing gezeigt wird - ein Zeichen der guten Zusammenarbeit zwischen den beiden Städten.

Begleitbuch und Vortragsreihe

Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Begleitbuch, dessen Artikel heimische Historiker und Geschichtsforscher zusammengetragen haben. Das 202 Seiten starke Werk verrät viel über die Lebenswirklichkeit der Bottroper während des Krieges, lässt Soldaten durch ihre Aufzeichnungen das Grauen der Schlachten beschreiben und beleuchtet auch das Schicksal der französischen Zwangsarbeiter in deutscher Gefangenschaft. Für acht Euro ist das Buch beim Stadtarchiv zu haben, wobei Lehrexemplare bereits an die Bottroper Schulen verteilt worden sind.

Die Autoren zeichnen mit ihrem Fachwissen auch für eine vierteilige Vortragsreihe im Kulturzentrum verantwortlich, die am 8. September um 18 Uhr mit einer Lesung von Dr. Andreas Kamp über die Situation der Zwangsarbeiter in Bottrop startet. Weitere Vorträge finden am 22. September, 27. und 29. Oktober statt.

Die Ausstellung im Stadtarchiv an der Blumenstraße 12 - 14 ist bis zum 31. Oktober von 9 bis 20 Uhr geöffnet. Samstags schließt das Archiv bereits um 12 Uhr. Weitere Informationen unter Tel.: 02041 - 70 3754 und auf www.bottrop.de.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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